KIRCHENSPLITTER
Misericordia
Vor einigen Tagen durfte ich an eine Feier im Unigebäude «Miséricorde» in Fribourg gehen.
Das Wort versetzt mich „stante pede“ in mein Sehnsuchtsland Italien. Dort ging ich als junge Frau oft an einem Sandsteingebäude vorbei mit dem Namen «Misericordia». Da zu meiner sommerlichen Italianità-Ausstattung nicht unbedingt ein gelbes, schweres «Langenscheidt-Wörterbuch deutsch-italienisch» gehörte (Präsmartphonozän), blieb mir nur das Raten: irgendetwas mit ricordare/erinnern, dann wohl auch etwas mit mi/mir und se/sich, also vielleicht im Sinne von: sich seiner selbst erinnern...?
Das Wort hat es mir aber angetan und ich habe es dann doch einmal nachgeschlagen.
Das Wort bedeutet Barmherzigkeit und setzt sich aus miser/arm, elend und cordis/Herz zusammen. Es zeigte sich, dass ich zwei elementare Fehler begangen habe: Erstens habe ich nicht richtig hingesehen und das «i» unterschlagen. Zweitens habe ich eine falsche Analyse des Wortes gemacht und so falsche Schlussfolgerungen gezogen.
Die Welt ängstigt mich gerade sehr. Es fällt mir schwer, Stellung zu beziehen und mir eine Meinung zu bilden. Gerne zitiere ich hier einen Satz aus einem Interview mit Patti Basler aus der Luzerner Zeitung, der mich total angesprochen hat: «Je mehr Ahnung ich von einer Sache habe, desto weniger Meinung habe ich. Dafür habe ich eine Haltung!» Wow!
Es ist wichtig, sich die Dinge genau anzusehen, genau hinzuschauen und es ist ebenso wichtig, die Teilaspekte genau zu analysieren. Dann stehe ich nicht mit einer voreiligen Meinung da und ziehe falsche Schlussfolgerungen, sondern kann mit einer bestimmten Haltung komplexen Problemen gegenübertreten. Was nicht heisst, dass es einfacher wird. Wir wissen nun, was misericordia heisst, die Haltung «Barmherzigkeit» einzunehmen ist nun die nächste Challenge!
Autor: Sandra Wey-Barth, Bereich Kinder/Familien und Katechetin | Datum: 23.11.2023