GASTSPLITTER
Witwen voller Hoffnung
Jos, im Norden von Nigeria. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es ausgerechnet mich, als ordnung- und strukturliebenden Menschen, in diese Ecke der Welt verschlägt. Aber manchmal bewegt Gott Dinge im Herzen, die man sich nicht rational erklären kann. Ich wurde eingeladen, die Arbeit von Rings of Hope in Nigeria zu besuchen. Eine Partnerorganisation unserer Kirchgemeinde, die sich für die Not von Witwen einsetzt, deren Männer Opfer von Boko Haram geworden sind. Es ist schwierig, die grausamen Lebens- und Leidensgeschichten dieser Frauen, denen ich dort begegnen durfte, in Worte zu fassen. Viele dieser Frauen mussten mitansehen, wie ihre Männer ermordet wurden. Sie mussten ihr Hab und Gut zurücklassen. Sie sind traumatisiert und leben in ständiger Angst. Und sie wissen oft nicht, wie sie sich und ihre Kinder ernähren sollen. Sie haben keine Existenzgrundlage mehr. Ihnen wurde alles genommen.
Vor meiner Reise habe ich mir feinsäuberlich schweizerisch überlegt, was mein Beitrag vor Ort sein könnte, um diesen Frauen zu helfen. Was ich ihnen von meinem Wissen als Psychosoziale Beraterin und von meinen materiellen Gütern geben könnte. Beschämt muss ich eingestehen, dass nicht ich es war, die ihnen etwas gegeben hat. Sondern ich wurde reich beschenkt durch diese Begegnungen.
Jede Woche treffen sich über 3000 Frauen im Norden von Nigeria in erweiterten Mikrofinanzgruppen, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Sie tauschen sich aus und teilen ihr Schicksal. Damit schaffen sie sichere Räume für Heilung. Und sie lesen wöchentlich gemeinsam in der Bibel, weil ihnen der christliche Glaube ganz konkret Hoffnung und Identität gibt. Identität, die sagt: Du bist wertvoll. Du bist gesehen. Du bist geliebt.
Diese Frauen sind mir Vorbild geworden. Sie verharren nicht in ihrer Opferhaltung. Sondern sie stehen auf und tun das, was in ihrer Macht steht. Und wenden sich gleichzeitig vertrauensvoll Gott zu und rechnen mit seinem Eingreifen und seiner Begleitung.
Was mir bei jeder einzelnen Begegnung aufgefallen ist: Da ist ansteckende Lebensfreude. Diese Frauen strahlen Hoffnung aus. Und sie leben tragfähige Gemeinschaft.
Autor: Janine Oesch, Ehrenamtliche
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Datum: 27.03.2025